[urecht] Angriff auf die Kunstfreiheit in Bayern

Dr. Daniel Kötz ra_koetz at gmx.de
Die Nov 16 10:07:39 CET 2010


Gerichtsprozess um "sozialethisch desorientierende" Kunst.

Dem bayerischen Künstler Christian Kaiser wurde von der Bayerischen 
Landeszentrale für neue Medien (BLM) ein Bußgeld iHv. mehreren Tausend Euro 
auferlegt, weil dieser sich weigerte, ein Internetangebot den Vorgaben der 
BLM entsprechend anzupassen, dessen Inhalt "sozialethisch desorientierend" 
sei. Zuvor waren ihm bereits Untersagung und Sperrung des Angebots angedroht 
worden.

Die Fotografien und Videoclips des jungen Künstlers zeigen junge Frauen 
zwischen Verwahrlosung, Gewalt, Sex, Drogen und Prostitution. "Heroin Kids", 
so der Name des Projekts, versteht sich als Ausschnitt eines wilden und 
freien Lebens, das an der Grenze zur Selbstzerstörung gelebt wird und keine 
Regeln oder festen Werte mehr kennt. Die Darstellerinnen werden in 
überzeichneter Weise in ihrem Elend gezeigt. Die Werke des Fotografen sind 
zweifellos nicht jedermanns Geschmack und sollen dies auch nicht sein. Der 
Bundesgerichtshof äußerte kürzlich, dass Kunst Grenzen überschreiten soll 
(BGH ZUM 2010, 251, 252).

Nicht so in Bayern: Die BLM ist der Auffassung, das Angebot ästhetisiere und 
verharmlose den Heroinkonsum, weil an keiner Stelle auf die Gefahren 
hingewiesen werde. Obwohl die überwiegend krassen Darstellungen die Modelle 
in Erbrochenem, in Fäkalien und Unrat zeigen, ist die BLM der Auffassung, 
die Darstellungen könnten auf Jugendliche "attraktiv wirken und diese zur 
Nachahmung animieren". Fraglich erscheint dabei, wie die Darstellung eines 
drogenbedingten Verfalls denn aussehen soll, damit Jugendliche nicht zur 
Nachahmung angehalten werden.

Da der junge Künstler sein Angebot nicht unverzüglich den Vorgaben der BLM 
angepasst hat - Entfernung oder aber eine auf die Nachtstunden beschränkte 
Zugänglichmachung des Internetangebots - wurde ihm nun ein 
existenzbedrohendes Bußgeld auferlegt. Hiergegen hat Kaiser durch den 
Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Daniel Kötz Einspruch eingelegt, über den das 
Amtsgericht Ebersberg bei München am 24. November 2010 zu entscheiden haben 
wird. Noch ist nicht abzusehen, ob das Amtsgericht den Zensurbemühungen der 
bayerischen Tugendwächter Vorschub leisten, oder aber diese in ihre 
Schranken weisen wird. Die Kunstfreiheit wird in Art. 5 Abs. 3 S. 1 
Grundgesetz (noch) vorbehaltlos gewährleistet.

Dr. Daniel Kötz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
__________
Kanzlei Kötz
Blumenstraße 7
40212 Düsseldorf
Fon: (+49) 211 6101570
Fax: (+49) 211 6101582
www.koetzlaw.de